Die Kraft der Jugend hatte in DinahDie jüdische Frau, die von Arama beschützt wurde und in die sich der christliche Hauptmann Alonzo verliebt hat. Nach ihrer Rettung aus dem brennenden Haus und der Flucht durch die Berge ist sie nun wieder genesen. gesiegt über Krankheit und Tod. Sie ging wieder dem Leben entgegen; ja, die erfrischende Meeresluft brachte bald die Rosen auf die Wangen zurück. Nur die Nähe des Geliebten erfüllte sie mit einer tiefen Wehmuth, denn sie hatte Trennung, wenn auch nicht Vergessen beschlossen. Und ist der Kampf des Herzens schon schwer in den Tagen des Glückes, wie viel schwerer, so du wandelst auf den Dornenpfaden des Mißgeschickes.

Wie ein schützender Genius umgab sie AlonzoDon Ferdinando Alonzo, ein christlicher Hauptmann, der sich in die jüdische Frau Dinah verliebt hat und ihr ins Exil gefolgt ist., und bewachte das Zelt, wo sie sich mit der blinden Wittwe und dem alten MaurenDer verwirrte alte Morisko, der Dinah aus dem brennenden Haus gerettet hat und sie seitdem nicht verlassen will., der sie durchaus nicht verlassen wollte, befand. Er verschmähete es nicht, der edle Jüngling, unter den Verlassenen Israels zu stehen, ihr thränenvolles Brod zu essen, und so wie sie den Hohn der Dränger zu ertragen.

„Dinah," sprach er eines Morgens, „Israel in der BerbereiHistorische Bezeichnung für die Küstenregion Nordafrikas (heutiges Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen), wohin viele spanische Juden nach ihrer Vertreibung flohen. hat Schiffe für uns geschickt, fühlst du dich stark genug, daß wir die Reise dorthin antreten?"

„Ich fühle mich kräftig genug, zu reisen, Don Alonzo, aber nur ohne Euch verlasse ich Spanien. Unsere Wege gehen auseinander."

Diese Worte wurden von ihr in einem Tone gesprochen, der den Kampf ihres Innern verrieth. Ein Strom von Thränen folgte ihnen nach. Alonzo stand in sich gekehrt da.

„Edler Jüngling, es ist Zeit, daß wir einen Entschluß fassen. Ja, ich liebe Euch, ich liebe Euch mit aller Gluth der ersten Liebe, deren die Jungfrau fähig ist. Aber mein Loos ist Entsagung, ich gehe in meines Volkes Elend, Ihr habet eine höhere Bestimmung. Dienet dem spanischen Vaterlande mit der Kraft Eurer Jugend, oder gehet nach Frankreich, Deutschland, und suchet des Ruhmes Lorbeer für Eure Stirn. O, gebet Euer Glück nicht für so niedern Preis, als die arme Jüdin ist, hin. Ich kann, ich darf die Eure nicht werden. — Bei den ManenIn der römischen Religion die Seelen der Verstorbenen, hier im Sinne von "Andenken" oder "Geist" verwendet. meines Vaters," setzte sie hinzu, und ihr Blick wandte sich nach oben, wie der verklärte Blick eines Engels, „ich kann die Eure nicht werden."

„Dinah, Dinah, du hast mein Herz gebrochen".

„Nicht doch, Don Alonzo, sehet das schwache Mädchen, sie hat überwunden, glaubet es, es ist besser so. Und, edler Mann, Euer Freund, — wo ist Jehudah AbarbanelSohn von Don Isaak Abarbanel und ein wichtiger Charakter in der Novelle, der seit dem Brand und der Flucht aus Granada nicht mehr gesehen wurde.? Für unsere Rettung wagte er das Aeußerste und schmachtet vielleicht im Kerker! Wo sind die Kinder Arama'sDie Kinder oder Enkel des jüdischen Arztes Arama, der in den Kerkern der Inquisition starb.? Ihr müßt sie aufsuchen, Ihr müßt sie retten. O wartete meiner nicht die Schmach, ich stünde nicht hier."

Alonzo fühlte den Vorwurf. Der alte Maure, der neben ihr gestanden und sie weinen sah, sprach mit rührendem Ausdruck: „O sie weinet, meine EdlaName einer Frau, die dem alten Mauren offenbar nahestand und an die ihn Dinah erinnert. Möglicherweise eine verstorbene Tochter oder Ehefrau., junger Mann, laßt sie nicht weinen, ich will Euch lieben, wie Allah Edla liebt".

In diesem Augenblicke hörte man vor dem Zelte ein Geräusch. Gonzago CampantonEin Mönch und Gegenspieler, der offenbar mit der blinden Witwe in einer komplexen Beziehung steht, wie der weitere Verlauf der Szene enthüllt. trat ein; Dinah schrie laut auf. Der Mönch, von Pöbel und Söldnern begleitet, schien sich selbst über das Zusammentreffen zu wundern. Aber ehe er noch den Mund geöffnet, durchbohrte des Morisko's blanker Stahl des Mönches Brust, und den blutigen Dolch betrachtend, rief der Alte wonnetrunken: „Schwarzes Mönchsblut, der Morisko weiß zu treffen!" Ein Schrei des Entsetzens erfüllte das Zelt und die ganze Umgegend. Der Mönch sah wild umher; da traf sein Blick die blinde Jüdin, die aus dem Winkel des Zeltes hervorkroch, und er stürzte auf sie hin und rief: „Mutter, Mutter, Euer Gonzago stirbt neben Euch, verflucht sei der Tag meiner Geburt, verflucht der Tag meines Todes!" Die Blinde taumelte. Es schien, als wenn Geister sie faßten und in die Höhe heben wollten, dann stürzte sie heulend auf den Mönch, der Ström seines Blutes traf das blinde Auge der Mutter, ihr Ohr vernahm sein Todesröcheln. Er aber lag und sein Blick schweifte wild umher, und mit der Faust klopfte er zu wiederholten Malen auf die durchstoßene Brust, und stöhnte Bußesworte in der Sprache und im Glauben Israels. Kein anderes Wort entfuhr seinem Munde. Die Soldaten hatten indeß den alten Mauren ergriffen, der noch immer jubelnd den Dolch schwang. Sie führten ihn ab und sein freudiger Allahruf ward noch von fernher vernommen. Der Mönch hatte ausgekämpft, die Mutter lag entseelt neben ihm, der Schlag hatte sie getroffen.

So sprach der Herr ZebaothHebräischer Ausdruck für "der Heerscharen", ein Beiname Gottes in der Hebräischen Bibel. durch Jeremia'sJeremia, ein Prophet des Tanach (Hebräische Bibel), der zur Zeit der Zerstörung des Ersten Tempels in Jerusalem (586 v. Chr.) wirkte und in seinen Klageliedern den Untergang der heiligen Stadt betrauerte. Mund: O sehet es ein und rufet Klagefrauen, daß sie kommen, daß sie herbeieilen und über uns Klagelieder anstimmen, daß aus unsern Augen Thränen stürzen und unsere Augenlieder Wasser strömen. Denn des Jammers Heulen wird von ZionUrsprünglich ein Hügel in Jerusalem, später ein Synonym für Jerusalem selbst und in der jüdischen Tradition ein Symbol für das verheißene Land und die spirituelle Heimat des jüdischen Volkes. aus gehört! — — —

— — — Der Schiffsher drängt, die Anker werden gelichtet. Alonzo ergreifet Dinah's Hand und führt sie an's Ufer. Lange, lange stehen sie da in letzter Umarmung. Des Weltmeeres Wogen brausen mehr nicht, als ihr Herz. „Leb' wohl, meine Dinah! Wir sehen uns wieder! Bei dem Vater droben! Leb' wohl!" „Leb' wohl, Alonzo!" Der Nachen stößt vom Ufer ab. Der Schiffsher drängt, die Anker werden gelichtet. „Leb' wohl, Alonzo! Grüne, blühe, Myrthe am Grabe meines Vaters!" — — —

Alonzo verläßt Spanien, und geht nach GallienHistorischer Name für Frankreich, von den römischen Provinzen Galliens abgeleitet.. Vergebens hatte er Erkundigung nach dem Freunde angestellt; das hatte er erfahren, daß man die Kinder Arama's im Kloster getauft, und sie zu Christen erzog.