Amphiteatralisch erhebt sich der jüdische BegräbnißplatzFriedhof, der in der jüdischen Tradition besondere Heiligkeit besitzt. Die Gräber werden gemäß jüdischer Tradition nie aufgelöst, und der Besuch der Gräber von Verstorbenen gilt als Akt der Ehrerbietung. vor den Thoren Granada's. Zahlreich zerstreuet findest du dort die Monumente des Lebens für den Tod, die weißen Leichensteine, Myrthen beschatten die Gräber, ihre Ruhe ist einladend für den Unglücklichen. Wie still ist das Grab, wie schön ist der Tod! An jenem Ende erblickst du eine offene Tempelhalle von weißem Sandstein, eingegraben in ihr auf Marmor, „daß der Felsenschutz ohne Fehl, gerecht und redlich sein Thun, unabänderlich sein Rathschluß. Zu diesen Marmortafeln mit den goldnen Worten drängte die Masse, Einzelne verloren sich unter den Gräbern, umfingen noch einmal die Denkmäler ihrer Lieben, und ihre Thränen vermischten sich mit den Thauperlen an den duftenden Blüthen des wilden Thymus. Als aber nun ein hundertjähriger Greis die Stufen der Tempelhalle bestieg, als er die heiligen Töne der AbodaHebräischer Begriff für "Gottesdienst". Hier wahrscheinlich bezogen auf das "Avodah"-Gebet, das an Jom Kippur (Versöhnungstag) rezitiert wird und den Tempeldienst des Hohepriesters beschreibt. und Versöhnung begann zur Feier des Einig=EinzigenBezieht sich auf das grundlegende jüdische Glaubensbekenntnis des Monotheismus, dass Gott einzig und unteilbar ist ("Schma Jisrael" - "Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig")., und beim weitschallenden Gesang vor dem allmächtigen König der Könige die ganze Gemeinde auf die Kniee sank, siehe!

— — — Da sammelten sich düstere Wolken am Horizont, in dichtem Gewebe umhüllten sie die Bläue des Himmels; immer weiter und weiter sich verbreitend, immer stärker und stärker werdend, schienen sie ein Gebirge bilden zu wollen, das sich zwischen Himmel und Erde aufthürmte. Jetzt verdunkelt sich auch die Sonne, ihr Trabant verhüllt ihren Schein, wie das Niedere das Höhere überall im Erdenleben. Eine Finsterniß hat sich auf dem ganzen Lande gelagert. Horch! da dröhnt es dumpf in der Ferne, die Donner Jehovah'sJehovah (oder Jahwe) ist der Eigenname Gottes in der hebräischen Bibel, der aus Ehrfurcht oft nicht ausgesprochen wird und durch Umschreibungen wie "der Ewige", "der Name" oder "der Herr" ersetzt wird. rollen, erst in leisem Geräusche, dann immer lauter und lauter mit Krachen den sterblichen Menschen betäubend. Es erheben sich des Meeres Fluthen, Woge stürzet auf Woge, die Gewässer thürmen sich auf, und schicken zischend ihre Ströme nach oben. Feuersäulen fallen vom Himmel herab und zerschmettern ihre Massen; heulend wühlt der Sturm in den Wassertrümmern, bis sich der unterirdische Kampf der Elemente erneuert. Auf allen Gesichtern malt sich der Schrecken, bestürzt sehen die Spanier auf IsraelsBiblischer Name für das jüdische Volk, abgeleitet von Jakob, dem Enkel Abrahams, der nach biblischer Überlieferung den Namen Israel erhielt. Söhne, des Greises hohe Gestalt steht unerschüttert da, und die Blitze des Höchsten beleuchten sein Antlitz.

„Der Herr hat geantwortet, meine Brüder, hört die gewaltige TochterstimmeIm jüdischen Talmud wird die "Bat Kol" (wörtlich "Tochter der Stimme") als eine Art himmlische Stimme oder göttliches Echo beschrieben, durch das Gott nach dem Ende der Prophetie mit den Menschen kommuniziert. aus dem Allerheiligsten seiner Wohnung beim Klange der Aboda." Also rufet der Greis, und weithin erschallet noch einmal ihr Heilig! und Amen!

Jetzt aber wanket und bebet die Erde, als rissen unterirdische Mächte an ihren Vesten, als zerspränge ihr Herz; es reißet der Berge Geklüft auseinander, von den AlpuxaresDie Alpujarras, eine gebirgige Region in Andalusien südlich von Granada, bekannt für ihre tiefen Täler und steilen Hänge. Nach der Vertreibung der Mauren aus Granada 1492 wurde sie zu einem Rückzugsgebiet für Morisken. strömet Feuer gen Himmel und erhellt schauerlich die unverhoffte Nacht. So begegnen sich die untern und obern Feuer, als loderten die Decken der Ausdehnung und der Erde, als begegneten sich Hölle und Himmel. Fernhin sieht man Gräber sich öffnen, aber weite und tiefe Gräber, und diese umfassen ganze Dörfer und verschütten ganze Städte, Urwälder sinken in die Tiefe, und reißen was da lebet in den Abgrund. Selbst unter Granada wanket der Boden, die Spitzen seiner Cathedralen schmettern hernieder, stolze Paläste sinken zusammen und begraben ihre Bewohner. Da schweigt der blinde Judenhaß. Ach, in der Stunde der Noth und des Todes ist Alles vergessen; da ist das Gemüth der Probirstein des Edlen und Guten. Wahrlich, was du da nicht willst, solltest du immer nicht wollen! Alles flieht aus den Häusern, die keine Sicherheit mehr darbieten, Alles eilte jetzt dahin, wo Israels Gemeinde auf den Knieen liegt und die Aboda feiert, Alles glaubt in den fremden Tönen die Zusicherung göttlicher Gnade und Verzeihung zu finden.

„Gott hat geantwortet," begann der Greis noch einmal, „Berge wanken, aber seine Treue nicht. Ueber die zitternde Erde lasset uns den Fuß setzen und uns nach dem Meere wenden, kehrt der Tag zurück, so erwacht die Tücke der Verfolger. Fahr' hin, Granada, leb' wohl, Spanien, wir trennen unsern Theil von deinem."

Und so wanderte die Gemeinde Granada's aus, um sich mit ihren Brüdern am Meeresufer zu vereinen. Es schrecken sie nicht der Natur gewaltige Schrecknisse um sie her. Hast du dein Vaterland verloren, und die Stätte nicht mehr, wo du geboren bist und sterben wolltest, so wird die ganze Natur dein Eigenthum, die Erde deine Braut. Wer wird die Hochzeitnacht an ihrem Busen fürchten?!